Der Unfall

Gerade einen Auffahrunfall gehabt. Auf der A4 Richtung Bautzen drängelte sich ein Mercedes vor meinen Vordermann, dann stockte plötzlich der Verkehr. Der Mercedes bremste. Mein Vordermann bremste. Ich bremste. Dann knallte jemand in mein Heck und schob mich in den Vorausfahrenden. Bei den anderen beiden fetzte die Stoßstange ab, bei mir zischte der Kühler, Kühlwasser tropfte auf die Straße.

Gesundheitlich geht es allen weitgehend gut. Eine Frau wurde später vom Krankenwagen abgeholt, weil sie ein Drücken in der Brust spürte, aber ihr Mann vermutete, es sei nur der Schock.

Schock, so fühlt es sich an. Der Mann aus dem vorderen Auto lief direkt zu mir rüber und steckte sich eine Zigarette an. Ich fragte auch nach einer. Wir standen dann, bis die Polizei kam, mit diesem komischem Körpergefühl: Puls hoch, Muskeln angespannt, Gedanken im rasenden Stillstand.

Die Polizei raste mit Blaulicht ran, sperrte alle Spuren und bugsierte uns auf den Seitenstreifen, schrie ein bisschen rum, belehrte uns über Sicherheitsabstände und nahm unsere Papiere. Langes Warten und dann Fragen beantworten. Dann der Abschleppdienst und zur Werkstatt. Unterwegs mit dem Kumpel, dem das Auto gehört, telefoniert, was zu tun ist. Dann zum Bahnhof gelaufen, um zurück nach Leipzig zu fahren.

Eigentlich ist nicht viel passiert. Es wird was kosten, aber das ist nur Geld. Gesundheitlich geht es allen gut. Aber dann wieder das gleiche Empfinden, wie nach Trump: erst der Schock, das PAMM! und das Adrenalin, dann kommt die Angst, die veränderte Wahrnehmung, die Bedrücktheit, sie drückt in den Gliedern und in der Brust.

In Leipzig kuppelte der ICE, in dem ich saß, einen weiteren Waggon an. Die Schaffnerin bat alle, sich festzuhalten, weil es Rappeln würde. Das Rappeln fühlte ich stärker an, emotionaler, als ich es sonst spüren würde, genauso der gedrängte Verkehr auf der dreispurigen Straße vor dem Hauptbahnhof und die schiebenden Massen auf dem Weihnachtsmarkt. All das fühlt sich beklemmender an, als es sollte. All das ist nicht nur Hintergrundgeräusch und –bewegung, sondern plötzlich liegt darauf der Fokus.

Erklärt das auch meine Reaktion auf Trump? War nicht die Wahl auch ein PAMM!, ein Schock, der meine Wahrnehmung der Welt verändert hat? Wirken die Bedrohungen plötzlich unverhätnismäßig groß, während ich Positives übersehe? Ist das alles nur Teil des historischen Auf-und-Ab, dessen Grundtendenz generell steigend ist und dem ich gelassen zusehen sollte?

Oder muss ich, weil ich bei der Wahlprognose falsch lag, auch meine grundlegenden Ansichten über die Welt überdenken. So wie Kretschmann das jetzt will: „Wir dürfen es mit der Political Correctness nicht übertreiben!“ Kann die Angst also guter Ratgeber sein, dem ich nur zu selten zuhöre?

Bis jetzt bin ich ohne sie gut gefahren. Bis auf dieses eine Mal. Heute Morgen.

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