Auf den Sonnenberg

Unbekannte schleuderten Steine durch das Fenster von Susanne Schapers Abgeordnetenbüro im Chemnitzen Stadtteil Sonnenberg. Sie sprühten „I love NS“ an die Fassade, zündeten die Fußmatte an und warfen ihr tote Ratten vor die Tür.

„Innerhalb von 17 Monaten gab es mehr als 20 Anschläge. Und da zähle ich nur die großen Attacken mit, nicht die vielen kleineren Vorfälle“, sagte sie der ZEIT im Osten im Interview. Kleinere Vorfälle sind Eimer voll Exkrementen, die ihr vor die Tür geschüttet werden oder wenn mal wieder die Tür aufgerissen wird und jemand reinbrüllt: „Drecksschweine!“

Irgendwann packte sie die Angst, auch wegen ihrer Kollegen: Ihr Wahlkreismitarbeiter hat einen kubanischen Vater, ihrer „zierlichen blonden“ studentischen Hilfskraft hat sie untersagt, alleine ins Büro zu gehen.

Chemnitz ist nur eine gute Autostunde entfernt von der Leipziger Kneipe, in der wir Freitagnacht saßen. Es waren die üblichen Verdächtigen: Eine Dramaturgin, eine Veranstalterin, eine Kulturjournalistin, eine Flüchtlingshelferin. Ich erzählte von Schaper und irgendwie kam die Idee auf: Lass uns ein Haus in Sonnenberg mieten und es im Sommer mit Musik, Ausstellungen, Journalismus, Essen und Trinken füllen.

Ich mag die Idee. Im Sommer interviewte ich Christoph Volkenand, der sich in Mecklenburg-Vorpommern gegen Rechts engagiert. Er erzählte, wie er in den Neunzigern nach Greifswald zog. Es war die Zeit, als Skinheads einen Zeltplatz überfallen und linke Jugendliche verprügeln konnten und es im Jugendamt danach hieß: Die Angreifer trugen die Haare bloß so kurz, weil es schließlich ein heißer Sommer sei.

Volkenand und seine Mitstreiter wollten den Rechten etwas entgegen setzen und organisierten ein Musikfestival auf dem zentralen Marktplatz. Zum ersten Mal kamen alle Linken, alle Alternativen und Punks zusammen, um zu saufen und zu feiern und Volkenand meinte, dass sie an diesem Tag begriffen, dass sie viel mehr sind, als die Rechten und dass an diesem Tag viel in Bewegung gekommen sei. Mittlerweile ist Greifswald ein links-liberales Studentenstädtchen.

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